ADHS ist keine Krankheit

Erläuterung zu ADHS laut Wikipedia

 

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), die auch als Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätssyndrom oder Hyperkinetische Störung (HKS) bezeichnet wird, gehört zur Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (nach ICD-10: F90–F98).

 

Sie äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Selbstregulation und Impulsivität sowie manchmal auch durch ausgeprägte körperliche Unruhe (Hyperaktivität). Es handelt sich dabei um eine psychiatrische Entwicklungsstörung. Daher müssen die Symptome seit Kindheit bestehen und für das Alter oder den Entwicklungsstand übermäßig stark ausgeprägt sein. Symptome alleine reichen jedoch für eine Diagnose nicht aus. Diese müssen zusätzlich zu deutlichen Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen führen.

 

Die Häufigkeit der ADHS unter Kindern und Jugendlichen wird mit 5,9 bis 7,1 % beziffert. Sie gilt heute als häufigste psychiatrische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Jungen sind merklich häufiger betroffen als Mädchen. Verlaufsstudien haben gezeigt, dass bei 40 bis 80 % der diagnostizierten Kinder auch in der Adoleszenz die Störung fortbesteht und mindestens in einem Drittel der Fälle auch noch im Erwachsenenalter ADHS-Symptome bestehen.

 

ADHS ist eine neurobiologisch bedingte Abweichung im Verhalten, die sowohl genetische Ursachen (Anfälligkeit) als auch psychosoziale Ursachen (Umweltbedingungen) hat. Die Forschung zur Klärung von Ursachen und Möglichkeiten der Behandlung sind seit Jahrzehnten überaus intensiv, und inzwischen (Stand 2016) sind die Nachteile einer verpassten oder fehlerhaften Behandlung weitgehend geklärt, ebenso wie die Vorteile einer guten, individuell angepassten Behandlung. Sogar die langfristige Erholung von beeinträchtigten Gehirnfunktionen durch angemessene Behandlung ist bereits vielfach mit modernen bildgebenden Verfahren nachgewiesen worden.

 


 

Der Kampf gegen die Evolution mit Tabletten

 

Immer mehr Kinder gelten als notorisch unaufmerksam oder hyperaktiv – wie kommt das? Werden Heranwachsende heute mit so vielen Reizen überflutet, dass mancher dem nicht mehr gewachsen ist? Oder stellen Eltern und Lehrer höhere Ansprüche an das Konzentrationsvermögen als früher? Studien deuten auf einen großen Einfluss genetischer Faktoren bei der Entstehung von ADHS hin. Andererseits hat die Zahl der Diagnosen in jüngster Zeit zugenommen. Wie passt das zusammen?

 

Unsere genetische Ausstattung hat sich in den letzten paar tausend Jahren sicher nicht grundlegend verändert. Wenn man heute also in wachsendem Maß Aufmerksamkeitsprobleme bei Kindern beobachtet, dann hat das in erster Linie mit veränderten Umweltanforderungen zu tun. ADHS ist im Wesentlichen ein kulturelles Phänomen, dessen Wurzeln weit zurückreichen. Schon etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts machte das Verständnis von Wahrnehmungsprozessen einen grundlegenden Wandel durch: Nicht mehr das Objekt wurde als deren Ausgangspunkt betrachtet, sondern das Subjekt, das selbstständig dafür sorgen muss, dass es im „Gewühle der Sinneseindrücke“ nicht untergeht.

 

Gleichzeitig hat sich die alltägliche Reizdichte, mit der wir zurechtkommen müssen, enorm erhöht – etwa bei der Arbeit oder auch in der Mediennutzung. So entstanden ganz neue Ansprüche an den Einzelnen: Der moderne Mensch lenkt seine Aufmerksamkeit selbst, er ordnet alle Informationen, wie er es braucht.

 

Was hat sich im Alltag von Kindern geändert, dass inzwischen jedes 20. als hyperaktiv oder aufmerksamkeitsgestört gilt?

 

Die Intensität und Schnelligkeit der Wahrnehmungsanforderungen hat stark zugenommen. Die meisten Heranwachsenden können sich dem anpassen. Das liegt allerdings daran, dass das Spektrum des Aufzunehmenden bei den „normalen“ Kindern gegenüber den ADHS“lern weit zurück liegt. Sie nehmen deshalb schneller auf, weil sie weniger Wahrnehmen.

Was ist bei denjenigen anders, die mit dem gestiegenen Wahrnehmungstempo nicht zurechtkommen?

Stellen wir uns das doch mal ganz konkret vor. Ein Kind kommt von der Schule nach Hause, wirft die Tasche in die Ecke, es riecht nach Mittagessen, auf dem Weg in die Küche fällt der Blick ins Kinderzimmer, wo meinetwegen die Schwester mit einem neuen Spielzeug zugange ist, dann tönt aus dem Wohnzimmer der Fernseher, der Hund bellt, es klingelt das Telefon … Manchem Kind gelingt es einfach schlecht, all diese Reize zu selektieren – also die wichtigen von den unwichtigen zu trennen. Ich spreche von besonders wahrnehmungsintensiven, handlungsbereiten Kindern, um von der Vorstellung wegzukommen, es handle sich dabei per se um einen Mangel. Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall.

Aber handelt es sich bei ADHS denn nicht um eine Störung?

Erst einmal gar nicht. Der Psychologe Edmund Sonuga-Barke von der University of Southampton beschrieb schon 1998 in einer Arbeit, dass die so genannten aufmerksamkeitsgestörten Kinder normalen Altersgenossen überlegen sein können, wenn ihre Motivation, an einem Aufmerksamkeitstest teilzunehmen, besonders hoch ist. Die spannende Frage lautet: Wann wird Ablenkbarkeit zur Belastung? Das hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen ab – im Elternhaus genauso wie in der Schule. Es geht also nicht primär um ein Defizit des Kindes, sondern um die Bedingungen, unter denen es aufwächst.

Worauf sollten Eltern beim eigenen Verhalten achten?

Viele Eltern glauben, sie müssten ihren Nachwuchs ständig stimulieren. Oft haben sie das Bedürfnis, schon bei den ersten Unmutsäußerungen des Kindes irgendetwas zu machen, weil sie ihrem Nachwuchs sonst vermeintlich Schaden zufügen. Das führt letztlich zu einer dauernden Überstimulation. Und bei einigen Kindern setzt das eine fatale Rückkopplungsschleife in Gang: Je mehr Stimulation sie bekommen, desto mehr dürsten sie nach neuen Reizen. Die familiären Bedingungen sagen das Auftreten von ADHS besser vorher als andere Kennzeichen – und schon gar besser als die Gene. Erbgutfaktoren sind ja keineswegs allein erklärend, sondern wirken sich, wie wir heute wissen, nur in Wechselwirkung mit der Umwelt aus.

Werden Kinder mit dem Etikett „ADHS“ unnötigerweise pathologisiert?

Die Diagnose ADHS gemäß dem US-amerikanischen Störungshandbuch DSM-IV – und auch dem hier zu Lande üblichen ICD-10 – ist ja zunächst einmal nur dazu da, ganz neutral bestimmte Verhaltensauffälligkeiten zu beschreiben. Darin hat sich nun eine Theorie eingeschlichen: die Mangelidee. Man verortet die Ursache des Problems im Individuum statt in der Umwelt. Mit der Zuschreibung rechtfertigen dann viele eine Ritalingabe, die bloß eine akute Korrektur des Verhaltens ermöglicht. Das eigentliche Problem bleibt aber weiter bestehen, und sobald das Medikament abgesetzt wird, ist wieder alles wie vorher. Eins ist ganz klar: Ritalin heilt nicht, sondern lindert nur vorübergehend Symptome. Das Sympton der gesellschaftlichen Überforderung mit reizüberforderten Kindern.

Wie sollte man bei der Behandlung vorgehen?

Wenn ein Kind mit seinen Eltern zum Psychiater kommt, ist dieser in den seltensten Fällen die erste Anlaufstelle. Meist geht dem Gang zum Kinderpsychiater eine lange Geschichte der gescheiterten Behandlungsversuche voraus. Dann gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder das Kind bekommt bereits Ritalin oder nicht. Wenn es kein Medikament erhält, sollte es das auch vom Psychiater erst einmal nicht verschrieben bekommen, sondern es sollte mit den Eltern zusammen erarbeitet werden, was ihnen im Alltag zu schaffen macht. Was wird als besonders belastend empfunden? Die Therapie sollte dann darauf abzielen, Kind und Eltern Wege aufzuzeigen, wie man mit weniger Stimulation zurechtkommt.

Welche Rolle spielen dabei Lob und Tadel?

Eine große! Ein „Quälgeist“ und „Störenfried“, der in den Teufelskreis der Überstimulation geraten ist, kriegt oft von allen Seiten nur Kritik zu hören. Anerkennung zu erfahren, ist jedoch ebenso wichtig wie das Training der Selbstregulation, damit Kinder lernen, von selbst zur Ruhe zu kommen. Der richtige Erziehungsstil kann hier auch eine Menge bewirken: Eltern sollten nicht nur mit verbalen Appellen arbeiten, denn die Affektmodulation – also das Kontrollieren von Emotionen und Aufmerksamkeit – funktioniert nicht allein über Sprache. Man sagt zwar, das Kind „hört nicht“ oder es ist „ungehorsam“. Doch in solchen Begriffen drückt sich nur die einseitige Betonung des Hörsinns in der Erziehung aus.

Eltern sollten in der Therapie dagegen zur so genannten kommunikativen Kaskade angeleitet werden. Damit ist gemeint, dass sie ihrem Kind nicht irgendwelche Appelle von weither zurufen oder es gar anschreien nach dem Motto „Jetzt hör endlich auf!“ – sondern dass sie tatsächlich Kontakt zu ihm herstellen, es berühren und ihm in die Augen sehen. Es ist erstaunlich, wie wenig sich manche Erwachsene dieser „Erziehung ohne Worte“ bewusst sind. Dabei kann man gerade hyperaktive Kinder durch Berührung oft viel besser erreichen als durch Reden.

Therapiert man am Ende sogar mehr die Eltern, die zu den Ärzten kommen, als deren Kinder?

Nein, es sollte schon mit beiden parallel gearbeitet werden. Neben den Sitzungen mit den Kindern und Eltern ist auch noch der schulische Kontext zu beachten. Deshalb sollte man sich auch mit Lehrern, Eltern und Kind an einen Tisch setzen und versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden und feste Verabredungen zu treffen. Wie gesagt: Ritalin heilt nicht. Das Mittel bringt zwar für den Moment Erleichterung, aber es ist kein dauerhafter Ausweg. Die Arznei sollte die letzte Waffe bleiben, wenn andere Therapieversuche scheitern. Es wird lediglich die evolutionär gesteigerte Wahrnehmung medikamentös zurückgedrängt und das verhilft keinem Menschen mit ADHS zu einer Besserung der Problematik, mit diesem Überangebot an Informationen zurecht zu kommen.

Wenn ADHS kein Defekt ist, wäre es dann nicht konsequent, diese Diagnose einfach abzuschaffen?

Die Psychopharmakologie bietet heute die Möglichkeit, mit Methylphenidat (dem Ritalin-Wirkstoff) auf das Verhalten von Kindern einzuwirken – und danach besteht große Nachfrage. In der Schweiz firmiert ADHS sogar als „Geburtsgebrechen“, das mit bestimmten Vergünstigungen verbunden ist, ähnlich einem Behindertenstatus. Wenn man die Diagnose abschafft, würde das wegfallen – deshalb haben weder Therapeuten noch Betroffene und erst Recht nicht die Pharmalobby ein gesteigertes Interesse daran. Obwohl die Klassifikation eigentlich nur für Grundschulkinder vorgesehen ist, werden heute bereits jüngere Kinder diagnostiziert, und das häufig schon, kaum dass sie zur Praxistür hereinspaziert sind. Da sagt mancher Therapeut, ach ja, das kenn ich, und macht sich kaum die Mühe, genauer hinzuschauen. Diese Entwicklung halte ich für sehr bedenklich. Schließlich ist die Gabe dieses Medikaments eine Gabe eines Mittels, welches unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Dieser Wirkstoff unterscheidet sich nur sehr minimal von der chemischen Zusammensetzung von LSD.

Was ist der Unterschied bei der Gabe des Medikamentes bei „gesunden“, bzw. Menschen ohne ADHS zu welchen mit dieser korrekten Diagnose?

Bei medizinisch korrekt festgestelltem ADHS blockiert dieser Wirkstoff bestimmte Rezeptoren im Gehirn, wodurch bestimmte Botenstoffe nicht mehr produziert werden und die Wahrnehmung in der breite des Spektrums abnimmt. Es beruhigt diese Person, so dass keine Hyperaktivität, oder nur eine gering auffällige Hyperaktivität die Folge ist. Gibt man dieses Ritalin (Methylphenidat) einem Menschen ohne dieser Diagnose, so ist er höchstwahrscheinlich die nächsten 3 Tage wach oder nur unter Dauerstrom. Bei diesem würde es das absolute Gegenteil bewirken. Das kann bei einer langfristigen Gabe auch zu erheblichen psychischen und gesellschaftlichen Problemen führen. Deshalb kann solch eine voreilig erstellte Diagnose unheimlichen Schaden anrichten!